"Urfaust" Premiere + Pressestimmen

URFAUST - Volkstheater Wien (© HANS KLAUS TECHT (APA))
URFAUST - Volkstheater Wien (© HANS KLAUS TECHT (APA))

Die Premiere von URFAUST war am Freitag, 19. Oktober und das Publikum war begeistert. Viel Applaus und Bravos für alle Schauspieler und die mutigen Statistinnen!

 

Pressestimmen

„Enrico Lübbe hinterlegt dem Volkstheater mit seinem "Urfaust" ein Juwel.
Eine bestechend scharfe Nachjustierung der Gretchentragödie im Geiste von Deep Purple und mit Schauspielern in Bestform.
Was den fadisierten Gelehrten Heinrich Faust "so licht" macht, das ist die intensive Vorstellung eines nackten Frauenkörpers. Die Folgen sind bekannt. Im Dutzend spazieren sie splitterfasernackt auf High Heels durch sein schlaffes Gehirn - und zugleich in realiter über die Bühne des Volkstheaters. Dort hat Regisseur Enrico Lübbe den Urfaust radikal gekürzt und beschert dem Haus mit seiner gespenstisch dichten Inszenierung ein kleines Meisterwerk. (Klein nur insofern, als es sich im 65 Minuten Spieldauer handelt.)
Zwölf nackte Damen lassen den Blödmann-Faust des Denis Petkovic mit seinem jämmerlichen Text ("Liebes Fräulein, darf ich‘s wagen...") abblitzen. Ein Schlag ins Gesicht und basta. Die Dreizehnte aber durchschaut ihn nicht: Margarete, ein junges Geschöpf in Not, das den Avancen des hohen Herrn erliegt. Sie wird dies mit dem Tod ihres unehelichen Kindes büßen.
Ein höllisch eleganter Kuppler mit Namen Mephisto (Günter Franzmeier) rückt sie ins Licht. Da steht sie dann, gnadenlos von allen Scheinwerfern in dem sich mittig drehenden, transparenten Bühnenquader (Bühne und Kostüme: Michaela Barth) beschienen. Und allein an diesem kleinen Manöver eröffnet sich Lübbes Könnerschaft: In den einfachsten Gesten offenbaren sich die schärfsten Gedanken - auf diese hat Lübbe mit Co-Autor Torsten Buß Goethes Urfaust auch heruntergehungert.
Mindestens ebenbürtig zum Text wirkt hier das Theater mit seinen Raumordnungen, mit seinen Gesten und Stimmen und einer durch diese kompromisslose Verdichtungerzeugten und berückenden Stimmung, die die Teufelsmusik von Deep Purple (Child In Time) leitmotivisch durchströmt. Margarete (Nanette Waidmann) tritt in ihrer grünen Dorfmädchenweste also ins Blickfeld der gierigen Akademikeraugen. Am nächsten Morgen lehnt Faust an ihrem Bett; als er seinen Kopf von ihrer Schulter hebt, trägt er das Antlitz von Mephisto.
Diese mephistophelische Unterwanderung der Figuren verfehlt ihre Wirkung auf der Bühne nicht. Der Teufel kapert auch Textpassagen von Margarete, wenn sie beispielsweise mit leisen moralischen Bedenken vor dem Schmuckkästchen steht, das ihr Faust als Lockmittel hinterlassen hat. Luzifer hilft mit schneller Lippe gern ein bisschen nach.
Diese klaren, kompromisslosen Regie-Gedanken hat das Volkstheater-Ensemble auf ganzer Strecke mitgetragen. Jedes gesprochene Wort hat hier Gewicht, jede Bewegung ihr Ziel. Heike Kretschmer etwa zeigt mit dem sorgfältigen Rollen ihres Kleidersaumes, wie es um das drängende Begehren der Witwe Marthe Schwertlein steht. Kein Schritt ist zu viel in ihrem Tanz um ein wenig Liebesglück, für das sie gern ihre schönen Waden in Position bringt. 
Messerscharf gelingt auch die Szene mit Lieschen (Nina Norváth), die ihr Tratschtussi-Dasein zudem in einem bemerkenswert unsympathischen Kostüm belegt.
Das Volkstheater setzt mit dieser bravourösen Urfaust-Produktion in dieser jungen Saison nicht nur seinen Glückslauf fort. Es hat sich damit auch in die vorderste Reihe sämtlicher hiesiger Theaterhäuser katapultiert."

(Der Standard)

 

 

„Das Volkstheater ist heuer mit Fortüne unterwegs. Der deutsche Regisseur Enrico Lübbebeeindruckt mit einer brutal kurzen "Urfaust"-Version. Die Besetzung ist gut gewählt, vor allem die Frauen.
Wie könnte man munteren jungen Leuten, die dennoch eines Tages von den großen Fragen, Liebe, Treue, Tod, heimgesucht werden, vom Doktor Faust erzählen? Vielleicht so wie das der ostdeutsche Regisseur Enrico Lübbe in einer kurzen und dramatischen Stunde im Volkstheater tut - zu „Deep Purple"-Musik. Du wartest auf den Querschläger, heißt es in „Child in Time" der britischen Rockband. Wie ein Querschläger wirkt auch diese Aufführung. Lübbe wirft den „Urfaust"-Text in eine Zentrifuge und erzählt die Geschichte vom Doktor, seinem Gretchen und Mephisto kreuz und quer das Original durchpflügend neu und herb.
Faust hat genug von der Wissenschaft und leidet an sexuellem Notstand. Er stürmt aus seiner Studierstube. Doch es ist nicht leicht, eine Frau zu finden.
Bei Faust und Gretchen freilich scheint es Liebe auf den ersten Blick zu sein. Das wirkt aber nicht nur romantisch, sondern auch dem Trieb geschuldet. Die Zeit ist einfach reif für die zwei. Der Doktor steigt herab zum Mädchen aus dem Volke. Es fehlen ihm die Worte, eine amüsante Parodie auf den redseligen Goethe. Faust packt Grete und küsst sie wild. Als er mit ihr schläft, verwandelt er sich in Mephisto: Der Teufel Mann als zynischer Verführer, der, wenn er ans Ziel gekommen ist, bald wieder seiner Wege geht.
Die Besetzung ist gut gewählt, vor allem die Frauen: Nanette Waidmann ist ein Gretchen ohne Zuckerguss, dennoch ein lauteres Kind, ernst, lebenserfahren, schließlich hat sie Vater und kleine Schwester sterben gesehen. Waidmann hat eine starke Ausstrahlung, in der Leidenschaft wie im Leiden. Nina Horváth als Lieschen, schneidend, bissig, mit Schirmkappe und karierter Hose, ist eine Entdeckung, von der man noch hören wird und sollte. Heike Kretschmer entzückt als liebessehnsüchtige Marthe Schwertlein, die schon mal schnell dem bockigen Mephisto aufreitet.
Faust und Mephisto sind zwei Seiten einer Person. Gott und Teufel haben nichts zu plaudern. Der Mensch ist allein im All, umhergeworfen von Sturm und Drang, tierischer als er es wahrhaben will. Diese These wird vom Bühnenbild (Michaela Barth) illustriert: Ein Würfel aus Holz und Milchglas steht auf einem Podium, vorne offen und hinten - in ein Nirgendwo abfallend.
Lübbes Entwurf wirkt überraschend, packend, authentisch: ein roher „Faust" von heute. Mit Peter Turrinis berührendem „Riesen vom Steinfeld", der furiosen Show über die „Comedian Harmonists" und diesem Klassiker ist das Volkstheater ziemlich gut auf dem Wege in dieser neuen Saison."

(Die Presse)

 

 

„Mit dem Teufel, aber ohne göttliche Ordnung rockt Faust nach ein paar Ohrfeigen durchs Wiener Volkstheater.
In der Inszenierung des 37-jährigen Regisseurs Enrico Lübbe ist Mephisto ganz klar die andere, die dunkle und zerstörerische Seite Fausts. Die ersten Takte des genialen Songs „Child in Time" der englischen Rockband Deep Purple lassen diese Idee dahinter klar anklingen. „Süßes Kind der Zeit, du siehst die Grenzen zwischen Gut und Böse", so lautet verkürzt die erste Strophe.
Am Volkstheater spielt Nanette Waidmann dieses süße Kind Gretchen, unschuldig, an der Grenze zwischen Kind und Frau, ein Mädchen zum Anbeißen. Ihr erster Kuss mit Faust (Denis Petkovic) ist dementsprechend mehr ein Auffressen als ein zartes Sich-Annähern, denn er, der ausgehungerte Gelehrte, entwickelt sich mit ihr zu einem liebestollen Verführer.
Doch auch Gretchen ist verführbar: Als sie das Schmuckkästchen findet, glänzen ihre Augen, ihren Monolog teilt die Regie auf. Zusammen mit Mephisto spricht sie die Worte: „Am Golde hängt doch alles."
Günter Franzmeier spielt Mephisto, ein schmieriger Zuhälter mit Luden-Oberlippenbärtchen, dem die Lust des Augenblicks über alles geht, der alle Figuren entfesselt und das Böse aus ihnen herausholt.
In seiner Gegenwart wachelt die liebeshungrige Kupplerin Marthe (Heike Kretschmer) einladend mit ihrem Rock und strafft kokett die Strümpfe, während Mephisto sie allein dafür benutzt, um an Gretchen heranzukommen. Nach der ersten gemeinsamen Nacht mit Faust ist er es, der nackt neben ihr sitzt, durch einen Kubus aus Holz und transparentem Gazestoff leuchtet das Mondlicht.
Dieser Kubus bietet den Rahmen für das Skizzenhafte des „Urfaust". Szenisch löst Lübbe das Holzschnittartige über meisterhaft eingesetztes Licht, das emotionale Ebenen und (Denk) Räume etabliert: So erscheinen einmal die Figuren wie Silhouetten im Hintergrund, dann wieder werfen sie lange Schatten oder stehen einsam im Zwielicht. Musikalisch taktet Lübbe die knappen Szenenfolgen mit einer Variation von „Child in Time", Gretchens Schreie überhöht der ekstatische Gesang von Ian Gillan.
Lübbe hat diese radikale Verknappung (der Abend dauert gerade eine gute Stunde) des Faust-Stoffes als ästhetische Versuchsanordnung gedacht und hat damit am Volkstheater Erfolg."

(Salzburger Nachrichten)

 

 

Furiose Gretchentragödie. Goethes „Urfaust" im Wiener Volkstheater als tolles, heutiges Beziehungsdrama. 
In einem riesigen Kubus liegt, begleitet von den hämmernden Rhythmen der englischen Hard-Rock-Band Deep Purple, eine blutverschmierte junge Frau. Mit dieser starken Gretchen-Szene beginnt Enrico Lübbes knappe, heutige Inszenierung von Goethes „Urfaust" im Wiener Volkstheater. 
Im Mittelpunkt steht die Gretchentragödie; Faust ist ein lüsterner Gefühlskrüppel, Mephisto sein Alter Ego. Denis Petkovic ist ein patscherter Faust im Freizeitpulli, Günter Franzmeier ein abgrundtief böser Mephisto; Nanette Waidmann bezaubert als liebeskrankes Gretchen."

(Österreich)

 

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